Contact-Impro-Berührungen

Contact-Improvisation und naheliegende Missverständnisse:
Gedanken zu einer berührungsintensiven Tanzform

Manchmal nehmen Menschen an meiner Musik.Contact.Dance-Veranstaltung (MCD) teil, die noch keine Erfahrung mit Contact-Improvisation (CI) haben. Früher fand ich das positiv, da man so die Gelegenheit hat, in diese besondere Tanzform hinein zu schnuppern und erste Eindrücke zu sammeln.

Allerdings ist das Feld der CI sensibel, da es sich um eine berührungsintensive Tanzform handelt. CI bedeutet, sich ständig selbst und die anderen im Raum wahrzunehmen, mit denen man in Kontakt tritt. Die körperliche Nähe beim Tanzen kann gelegentlich dazu führen, dass man vergisst, dass es hier primär darum geht, den Tanz zu erforschen – im Gegensatz zu dem Wunsch nach rein physischer oder emotionaler Berührung.

Wenn sich Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen in einem CI-Duett begegnen, kann es vorkommen, dass eine Person den Tanz im Sinne der CI erforscht, während die andere sich eher dem Genuss der Berührung oder sogar der eigenen Forschungsreise in Bezug auf Streicheln hingibt. Dies kann zu Missverständnissen oder als Übergriff wahrgenommenen Situationen führen, die auf fehlende Erfahrung oder mangelnde Abgrenzung zurückzuführen sind.

CI hat natürlicherweise mit "Berührung" und "Nähe" zu tun. Beim Living-Contact-Dance-Festival haben die Teilnehmenden demnach in einer Runde LABoratorium-Forschungsfragen entwickelt, wie: „Wie gehe ich mit Intimität in der CI um?“, „Wie kann ich in CI Selbstfürsorge und Fürsorge für andere praktizieren?“ und „Wie kann ich mit meinen persönlichen Grenzen tanzen?“.

Für mich ist klar: die CI hat ein großes Potenzial, Bedürfnisse nach Berührung zu stillen, die durch das Vertrauen entstehen, das sich im intensiven körperlichen Kontakt entwickelt. Viele Menschen, die sich von CI angezogen fühlen, haben persönliche Erfahrungen mit dem Thema Berührung. Manche sehnen sich nach Geborgenheit, während andere Berührung bewusst suchen, um möglicherweise alte, negative Erfahrungen zu heilen. Es ist wichtig, dass du dir dieser Gefühle bewusst wirst.

Während CI diese Bedürfnisse teilweise „nebenbei“ erfüllen kann, wurde diese Tanzform ursprünglich mit einer anderen Motivation in den 1970er Jahren entwickelt. Im Kern geht es bei CI darum, die eigene Wahrnehmung im physischen Kontakt weiterzuentwickeln und zu erforschen. Zum Beispiel, wer gerade die Führung im Tanz übernimmt, wie der gemeinsame Körperschwerpunkt austariert wird, oder wie das Abgeben von Gewicht durch Körperkontakt funktioniert. Hierbei lernst du, dich anzupassen, Vertrauen zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen – und dabei stets im Gespür zu bleiben, was du deinem Gegenüber zumuten kannst.

Die ursprüngliche Idee der CI liegt im körperlichen Erforschungsspiel – wie wir auf unvorhergesehene Bewegungen reagieren, nonverbal durch Berührung kommunizieren, und wie wir durch spielerische Impulse neue Tänze entwickeln. Es ist hilfreich, sich immer wieder daran zu erinnern, den Tanzraum absichtslos zu betreten und sich von der Begegnung überraschen zu lassen.

Ein wunderbarer Nebeneffekt dieser Tanzform ist, dass wir im gemeinsamen körperlichen Erleben andere Menschen auf eine entspannte, neue Weise kennenlernen können. Vorurteile und Voreingenommenheit lösen sich oft auf, da es weniger um „Mann und Frau“ geht, sondern um das Menschsein und das gemeinsame Bewegen ohne Rolle oder Darstellungsbedürfnis.

Beim CI-Tanzen können durchaus Gefühle von Vertrautheit und Zuneigung entstehen, die von beiden Tanzpartner*innen im Moment gespürt und reflektiert werden sollten. Diese Vertrautheit kann manchmal zu zärtlichen Berührungen führen. Am Ende einer Veranstaltung ergeben sich oft Situationen, in denen das Tanzen am Boden – sei es paarweise oder in Gruppen – ausklingt, begleitet von achtsamen Berührungen oder Umarmungen.

Ich bitte dich: Falls du noch keinen Workshop bei mir oder bei anderen besucht hast, nimm dir die Zeit, ein paar Grundlagen zu erlernen. Auch an dich, der oder die vielleicht schon hin und wieder improvisierend bei der MCD getanzt hat, ohne eine Einführung in CI erhalten zu haben, richte ich diese Einladung.

Konkret: An meinen Abendveranstaltungen sollten nur Menschen teilnehmen, die den Sinn der Contact-Improvisation kennengelernt haben und mindestens grundlegende Kenntnisse aus einer erfahrenen Anleitung mitbringen.

Tipp: Du kannst diese Kenntnisse in meinem Basic-Workshop erwerben, der direkt vor der MCD-Veranstaltung stattfindet. Die Anmeldung ist hier online möglich. Im Workshop wird dir komprimiert vermittelt, was den besonderen Reiz der CI ausmacht. Ein Thema wird auch die Auseinandersetzung mit „Berührung“ sein und wie wir damit umgehen, um uns im geschützten Rahmen der CI wohlzufühlen.

In der anschließenden offenen Veranstaltung hast du dann die Möglichkeit, die Übungen mit anderen Tänzer*innen zu vertiefen.

Es freut sich herzlich auf dein Tanzen ... Matthias

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